La Deutschlandradio publicó un detallado informe acerca de los impactos de la industria salmonera en los territorios del Cono Sur de América. El director de Ecoceanos.cl, se refiere a estos temas de carácter internacional.
Fuente original: https://www.deutschlandfunkkultur.de/lachszucht-in-chile-aquakultur-mit-nebenwirkungen.979.de.html?dram:article_id=445930
Ein Aktivist, der sich besonders engagiert gegen die Lachsindustrie einsetzt, ist der Tiermediziner Juan Carlos Cárdenas. Er hat graue Haare, einen Vollbart und ein freundliches Lächeln. Auch er ist bei den Protesten während der Ankunft des norwegischen Königs dabei. „Unsere Teller und Meere – frei von industriellem Lachs“, steht auf dem Plakat der Nichtregierungsorganisation „Ecoceanos“, deren Vorsitz er hat. Cárdenas setzt sich seit über 15 Jahren für Meeresschutz und die Rechte der indigenen Völker und kleinen Fischer ein.
„Wir haben hier einen Wilden Westen der Lachs-Industrie. Aber im Süden existiert kein Sheriff. Der Sheriff ist im Urlaub. Nur die Banditen sind da. Das Gesetz, dass die Unternehmen selbst entworfen haben, verbietet den Fang von ausgebrochenen Lachsen. Denn sie sind weiterhin Eigentum des Unternehmens. Die Lachs-Industrie bricht vor den Augen des Staates das Gesetz. Könnte ‚Marine Harvest‘ das in Norwegen machen? Die Lachs-Industrie in Chile ist außer Kontrolle. Das ist Raubtier-Kapitalismus in Aktion.“
Tiermediziner Juan Carlos Cárdenas: Chile ist Bananenrepublik der Lachsindustrie. (Sophia Boddenberg)
Unternehmer aus der Lachsindustrie sind häufig auch in der chilenischen Politik tätig. Der ehemalige Staatssekretär für Fischerei Felipe Sandoval zum Beispiel ist jetzt Präsident von „Salmón Chile“, dem größten Lachsindustrie-Verband. Da passt es ins Bild, dass es nach dem großen Lachsausbruch keinerlei rechtliche Konsequenzen für „Marine Harvest“ gab. Mittlerweile hat das Unternehmen seinen Namen zu „Mowi“ geändert und will zukünftig umsonst Lachs in chilenischen Kinderheimen verteilen. Das bezeichnet Aktivist Cárdenas als Doppelmoral der norwegischen Unternehmen.
„Alles, was ‚Marine Harvest‘ hier macht, würde in Norwegen nicht akzeptiert werden. Die Industrie hat zwei Gesichter. Das öffentliche Marketing-Gesicht für den Export, das mit einem Lachs wirbt, der durch transparente Gewässer springt, ein natürliches, gesundes Produkt. Aber dahinter gibt es die Realität der schmutzigen Produktion, der chemischen Produkte und Antibiotika.“
Cárdenas kritisiert auch die schlechten Arbeits-, Hygiene- und Sicherheitsstandards in der Lachsindustrie. Er spricht von 31 Arbeitern, die zwischen Juli 2013 und Januar 2019 ums Leben gekommen sind. Und viele Arbeiter hätten keine feste Verträge, könnten sich also gar nicht für ihre Rechte einsetzen.
„Wir sind eine Bananenrepublik der Lachsindustrie. Wenn die Lachsindustrie sich in einer Region niederlässt, wird sie zur wichtigsten wirtschaftlichen Aktivität und vertreibt alle anderen. Wir haben hier viele kleinen Lachs-Republiken im Süden Chiles, wo es viele indigene Gemeinden und nur sehr wenige Gewerkschaften gibt.“
Der Großteil des chilenischen Lachses ist nicht für den Konsum in Chile vorgesehen, sondern wird exportiert nach Japan, China, Brasilien, in die USA und nach Europa. Deshalb ruft Tierarzt und Aktivist Juan Carlos Cárdenas zu einem internationalen Boykott von chilenischem Lachs auf, um Unternehmen und Regierung wachzurütteln.
„Der Preis, den ein Konsument in Europa oder in den USA zahlt, spiegelt nicht die realen Kosten der Produktion wieder. Diese Kosten tragen die Umwelt und die Arbeiter im Süden Chiles. Wir rufen die deutschen und europäischen Konsumenten dazu auf, sich zu fragen, woher die Lachsprodukte kommen, bevor sie kaufen. Und wenn sie aus Chile kommen, eine Alternative zu suchen. Die industriellen Lachsprodukte aus Chile sind voll von Antibiotika, zerstören die Umwelt und verletzen die Rechte der Fischergemeinden und indigenen Völker im Süden Chiles.“
Der nächste Stopp für Norwegens König Harald ist Patagonien, über 3000 Kilometer südlich von der chilenischen Hauptstadt Santiago. Auch hier hat sich die Lachsindustrie bereits niedergelassen und es sind weitere Investitionen geplant, unter anderem im Beagle-Kanal und in einem Biosphärenreservat. Viele Einheimische beschweren sich nicht, weil sie sich mehr Arbeitsplätze erhoffen oder weil die Unternehmen sich ihre Zustimmung „erkaufen“, indem sie den Gemeinden Sozial- und Infrastrukturprojekte versprechen.
Patagonien ist auch das Zuhause verschiedener indigener Völker, wie zum Beispiel die Yámana und die Kawesqar. Leticia Caro ist 44 Jahre alt und eine der wenigen überlebenden Nachfahren des indigenen Volks der Kawesqar, das an den Küsten Patagoniens in Chile lebt. Sie ist Mitglied der Organisation „Kawesqar-Gemeinden für die Verteidigung des Meers“.
„Das Meer ist das Herz der Kultur der Kawesqar“, sagt sie. „Unsere Spiritualität, unsere Schifffahrt, unsere Lebensgrundlage, all das findet im Meer und an der Küste statt. Wir sind stolz auf unsere Herkunft, denn Kawesqar zu sein bedeutet, das Meer zu beschützen. Wir tragen eine große Verantwortung gegenüber unserem Volk und unseren Vorfahren, die einem Genozid und Ethnozid zum Opfer gefallen sind.“
Chiles ehemalige Präsidentin Michelle Bachelet erklärte 2018 den „Parque Nacional Kawésqar“ als Naturschutzgebiet, aber ohne die Küste zu berücksichtigen. Das wurde jetzt im Januar nachgeholt. Trotzdem darf sich die milliardenschwere Lachsindustrie weiter an der geschützen Küste niederlassen. Dank Ausnahmeregelungen im Gesetz. Demnach sind in Gebieten, die als Nationalreservate erklärt wurden, industrielle Aktivitäten wie intensive Aquakultur und Lachszucht erlaubt.
Die indigenen Kawesqar-Gemeinden fühlen sich betrogen. Leticia Caro kritisiert, dass der chilenische Staat nicht die Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation zum Schutz der Rechte indigener Völker respektiert, die er unterzeichnet hat:
„Wir können auch lesen, wir sind nicht dumm. Wir werden Wege suchen, um unsere Existenz zu beschützen, die Tiere, die Natur, die uns umgibt. Wir Indigenen haben eine besondere Verbindung mit der Umwelt. Es gibt ein Gleichgewicht. Und dieses Gleichgewicht wird zerstört durch die Lachsindustrie. Die Regierung will, dass sich hier alles mit Lachszuchtfarmen füllt. Wenn das Meer verschmutzt ist und wir keinen Platz mehr für unsere Boote und für unsere Selbsterhaltung haben, werden wir Kawesqar aufhören zu existieren. Dann werden wir einfach zu Chilenen in der Stadt und werden unsere Geschichte, unsere Kultur und Weltanschauung verlieren.“
Leticia Caro fordert von der Regierung und Unternehmen, Maßnahmen zu ergreifen, um die indigenen Völker, die lokale Bevölkerung und die Natur zu beschützen. Patagonien ist eine der Regionen mit den meisten Naturschutzgebieten und Biosphärenreservaten der Welt. Aber es sind gerade die unberührten Gewässer, die immer mehr norwegische Lachszuchtunternehmen anziehen.